22. Juni: Pre-Opening Ausstellung „Zur Kur. Auszeit auf Zeit“, Zentralbibliothek der Bücherhallen Hamburg

Was haben Quarantäne und Kurort gemeinsam? „Man ändert hier seine Begriffe“ (Thomas Mann). Image Credit: Paula Schwatlo, Lisa Lange

Die Corona-Kontaktbeschränkungen haben uns eine „Auszeit auf Zeit“ beschert – wider Willen. In der Selbst-Isolation wurde unser Zuhause zu einem anderen Ort, mal Büro, mal Schule, mal Fitness-Studio. Die Pandemie veränderte auch unsere Wahrnehmung von Zeit.

Genau in diesem Moment der Pandemie eröffnet die Zentralbibliothek der Hamburger Bücherhallen ihre renovierten Räume mit einer Ausstellung von Werken junger Künstler*innen, die sich mit dem Kurort gestern und heute auseinandersetzen. Auch dieser ist ja eine „Auszeit auf Zeit“, allerdings gerade nicht am vertrauten Ort, sondern in der Fremde, an den herbeigesehnten Küsten und Bergen. Eines aber haben Quarantäne und Kurort gemeinsam: „Man verändert hier seine Begriffe“, wie schon der Kur-Klassiker Thomas Mann feststellte.

Das Zitat stammt aus Thomas Manns Kurort-Klassiker „Der Zauberberg“. Hier begegnet der „Hamburger Jung“ nicht nur dem alles verändernden Bergklima, sondern auch der Liebe: in Person der russischen femme fatale Madame Chauchat. Mann strickt aus dieser Begegnung sogar eine regelrechte Kulturtheorie – wenig subtil aber eindrücklich:

„Reden Sie nicht, wie es in der Luft liegt, junger Mensch, sondern wie es Ihrer europäischen Lebensform angemessen ist! Hier liegt vor allem viel Asien in der Luft, – nicht umsonst wimmelt es von Typen aus der moskowitischen Mongolei! Diese Leute“ – und Herr Settembrini deutete mit dem Kinn über die Schulter hinter sich -, „richten Sie sich innerlich nicht nach ihnen, lassen sie sich von ihren Begriffen nicht infizieren, setzen Sie vielmehr Ihr Wesen, Ihr höheres Wesen gegen das ihre, und halten Sie heilig, was Ihnen, dem Sohn des Westens, des göttlichen Westens, – dem Sohn der Zivilisation, nach Natur und Herkunft heilig ist, zum Beispiel die Zeit! Diese Freigebigkeit, diese barbarische Großartigkeit im Zeitverbrauch ist asiatischer Stil, – das mag ein Grund sein, weshalb es den Kindern des Ostens an diesem Orte behagt.“

Mann, Thomas. Der Zauberberg: Roman. In: Gesammelte Werke in Einzelbänden. Frankfurter Ausgabe. Hg. von Peter de Mendelssohn. Frankfurt am Main: Fischer, 1981, 342. 

Kurorte sind Orte, die unseren Blick auf die Welt zuhause verändern können, sind Orte der Begegnung, aber auch auch der Auseinandersetzung und des Konflikts. Als solche treten sie uns in der Ausstellung in vielen unterschiedlichen Interpretationen entgegen.

Die Veranstaltung ist ein Pre-Opening, das den aktuellen Corona-Beschränkungen Rechnung trägt. Das heißt, es werden nur ausgewählte Werke gezeigt und der Besuch ist nur im Rahmen einer Ausleih-Tätigkeit in den Bücherhallen möglich.

Zentralbibliothek
Hühnerposten 1 (Eingang: Arno-Schmidt-Platz)
20097 Hamburg
ab 22. Juni 2020

Im November 2020 oder im Frühjahr 2021, wenn die Corona-Beschränkungen hoffentlich handhabbar geworden sind, wird die gesamte Ausstellung mit den Werken aller beteiligten Künstler*innen erneut gezeigt und mit einer Vernissage und Lesung aus Kurort-Texten eröffnet.

Die Ausstellung ist eine Kooperation der Zentralbibliothek der Bücherhallen Hamburg mit der htk academy, The European Spa Project, (p)ostkartell. verein für angewandte kulturforschung.

Künstlerische Konzeption: Gaby Bergmann
Wissenschaftliche Konzeption: Henrike Schmidt
Organisation: Sarah Politt

Das Projekt wird finanziell gefördert durch HERA (Humanities in the European Research Area) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung.